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Fünf Jahrzehnte nach Start: Relikt russischer Venusliebe vor Erdeinschlag

“Fünf Jahrzehnte nach Start: Relikt russischer Venusliebe vor Erdeinschlag”


Dass Weltraumschrott auf die Erdoberfläche zurückfällt, ist kein ungewöhnliches Ereignis. Freilich verglühen die Trümmerteile üblicherweise beim Eintritt in die Erdatmosphäre. Das könnte diesmal allerdings anders ein: Denn das Stück Weltraumfahrthistorie, das in Kürze wieder auf die Erde zurückkommt, wurde ganz besonders widerstandsfähig gebaut. Die später in „Kosmos 482“ umbenannte Sonde sollte in die Atmosphäre der Venus eintreten und unbeschadet auf der Oberfläche landen.

Verglichen mit der Erde ist die Atmosphäre der Venus eine ganz dicke Suppe. Die Gasschichten rund um unseren Nachbarplaneten bestehen zu über 95 Prozent aus Kohlendioxid, auf der Oberfläche herrscht ein rund 90-mal höherer Druck als auf der Erde, bei Temperaturen, die im Durchschnitt bei über 450 Grad Celsius liegen. Was es unbeschadet auf die Oberfläche der Venus schafft, für das sollte auch der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre kein Downside darstellen; vorausgesetzt natürlich, der Hitzeschild der Sonde ist noch intakt.

Kein großer Grund zur Sorge

Große Angst ist laut Expertinnen und Experten aber nicht angebracht. Zwar wiegt die Sonde bei einem Durchmesser von knapp einem Meter rund eine halbe Tonne. Durch die Reibung beim Wiedereintritt wird ihre Geschwindigkeit aber auf rund 250 Kilometer professional Stunde abgebremst. Die kinetische Energie beim Aufprall werde der eines rund 50 Zentimeter großen Meteoritenfragments entsprechen, schrieb der auf Satellitenbeobachtung spezialisierte niederländische Wissenschaftler Marco Langbroek in einem Blogbeitrag.

Da die Sonde – anders als zuletzt etwa die Trümmer einer Falcon-9-Rakete – vermutlich nicht auseinanderbrechen wird, verringert sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie tatsächlich Gebäude oder gar Menschen trifft. Die Erdoberfläche ist zu über 70 Prozent von Wasser bedeckt. Und auch an Land sind große Bereiche unbewohnt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Sonde in bewohntem Gebiet einschlage, sei „verschwindend gering“, sagte etwa der Raumfahrttechniker Marcin Pilinski von der Universität von Colorado Boulder.

Absturzort wird sich erst spät klären

Dennoch ist kurz vor dem Wiedereintritt vieles offen: etwa wie das Gerät, das nun abstürzt, im Element beschaffen ist. Weder die Sowjetunion noch der Nachfolgestaat Russland gaben das jemals ganz genau bekannt. Zudem ist unklar, wo die Reste der Sonde genau einschlagen werden.

Die aktuellsten Berechnungen gehen von einem Einschlag am Samstagvormittag unserer Zeit aus – allerdings mit einer Unsicherheit von plus minus rund neun Stunden. In dieser Zeit umrundet die Sonde die Erde mehrere Male. Da ihre Umlaufbahn nicht parallel zum Äquator verläuft, überfliegt sie in diesem Zeitfenster einen Bereich, der von der US-kanadischen Grenze im Norden bis nach Australien im Süden reicht. Wo genau das Sowjetrelikt tatsächlich einschlagen wird, wird sich erst bestimmen lassen, wenn es beginnt, in die Atmosphäre einzutreten.

Gescheiterter Abflug aus Erdorbit

Der Grund, dass sich heute überhaupt irgendjemand Gedanken über den Absturz des Stücks Weltraumschrott machen muss, liegt über 50 Jahre zurück. Am 31. März 1972 startete eine sowjetische Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Baikonur im heutigen Kasachstan. An Bord battle die zu diesem Zeitpunkt noch „Wenera 9“ benannte Sonde. Venus heißt auf Russisch Wenera, und unser Nachbarplanet battle auch das Ziel des gleichnamigen sowjetischen Programms.

Der Planet Venus


Getty Pictures/Freelanceimages/Common Pictures Group/Science Photograph Library

Die Venus: Lange Zeit Sehnsuchtsort der sowjetischen Weltraumforschung

Die Sonde sollte ihr Ziel allerdings nie erreichen. Die vierte Raketenstufe schaltete zu früh ab und verhinderte so den Flug Richtung Venus. Die Sonde endete in einer elliptischen Umlaufbahn um die Erde, wo sie die kommenden 53 Jahre verbleiben sollte.

Zugleich nahm ihr die Sowjetunion den Namen „Wenera 9“ und benannte sie in „Kosmos 482“ um – die sowjetische Bezeichnung für Satelliten im Erdorbit. Die Verantwortlichen wollten wohl nicht mit jeder Erdumrundung der Sonde an das eigene Scheitern erinnert werden.

Erfolgreiche Schwestermission

Nach dem missglückten Versuch 1972 battle es allerdings mit dem Scheitern vorbei. Acht weitere Wenera-Sonden wurden bis 1983 zur Venus geschickt. Sie lieferten Bilder und Daten aus der Umlaufbahn, aber auch von der Oberfläche des glutheißen Planeten, an dem die sowjetische Weltraumforschung besonderes Interesse gefunden hatte.

Dabei setzte die Sowjetunion zuerst auf Dreier- und ab 1967 auf Doppelgespanne. Auch die glücklose „Kosmos 482“ hatte eine Schwestermission. „Wenera 8“ startete am 27. März 1972, begann am 22. Juli des gleichen Jahres ihren Sinkflug in die Venusatmosphäre und schaffte es auch bis auf den Boden. Elf Sekunden sandte sie von dort aus Daten.

Vor 40 Jahren battle dann Schluss

Die erste erfolgreiche Landung auf der Venus battle bereits der Vorgängersonde „Wenera 7“ 1970 geglückt, nachdem „Wenera 3“ bereits 1966 unkontrolliert auf der Venus aufgeschlagen battle. 1975 entsandte die Sowjetunion die erste Sonde, die in der Umlaufbahn der Venus bleiben und diese mit Radartechnik kartieren sollte. In den frühen 1980er Jahren galt die Venus nach über 20 Missionen, von denen mehr als die Hälfte auch glückten, für die Sowjetunion als ein ausgesprochen intestine erforschter Planet.

Zwischen 1984 und 1986 schickte die Sowjetunion mit „Wega 1“ und „Wega 2“ noch zwei weitere Sonden zur Venus. Diese sollten auch gleich noch Daten zum Halleyschen Kometen liefern. Dann battle mit den sowjetischen beziehungsweise russischen Venusmissionen erst einmal Schluss.

Nur noch wenige Besuche von der Erde aus

1989 schickten die USA einen Orbiter zur Sonde, der rund 98 Prozent der Planetenoberfläche kartografierte. Danach wurde es für viele Jahre ruhig um den zweiten Planeten in unserem Sonnensystem. Erst 2005 erreichten wieder zwei Raumfahrzeuge die Venus. Während die Messenger-Sonde der USA auf ihrem Weg zum Merkur nur vorbeischaute, schickte die Europäische Raumfahrtbehörde (ESA) einen Orbiter, der neun Jahre lang Daten aus der Umlaufbahn sendete. Japan sandte schließlich 2010 eine Sonde Richtung Venus, 2015 konnte diese auch erfolgreich in die Umlaufbahn einschwenken.

Ganz hat auch Russland die Venus nicht aus den Augen verloren. Eine für die Zukunft geplante und mit „Wenera-D“ betitelte Mission wurde zuletzt aber immer wieder nach hinten verschoben. Jetzt kann die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos aber ohnehin erst einmal beobachten, wie eine ihrer Sonden wieder „nach Hause“ zurückkommt. Und anders als der Relaxation der Welt weiß man dort wohl auch, was genau in den kommenden Stunden vom Himmel fallen wird.



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